14. Mai 2025
Neues Urteil stärkt den Kündigungsschutz für Schwangere

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit einem aktuellen Urteil vom 3. April 2025 die Rechte schwangerer Arbeitnehmerinnen deutlich gestärkt. Auch wenn eine Frau erst nach Ablauf der üblichen Klagefrist von drei Wochen erfährt, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, kann sie nachträglich rechtlich gegen die Kündigung vorgehen. Wir erklären hier, was das Urteil bedeutet:
Worum geht es in dem Urteil?
Eine Mitarbeiterin wurde am 14. Mai 2022 zum 30. Juni 2022 gekündigt. Zur Einhaltung der Klagefrist hätte die Mitarbeiterin also bereits am 4. Juni 2022 Kündigungsschutzklage erheben müssen. Kurz vor Ende ihres Arbeitsverhältnisses, am 29. Mai, machte sie einen Schwangerschaftstest – dieser fiel positiv aus. Einen Frauenarzttermin bekam sie allerdings erst am 17. Juni. Am 13. Juni reichte sie Kündigungsschutzklage ein und beantragte die nachträgliche Zulassung der Klage. Das ärztliche Attest reichte sie am 21. Juni nach. Ihr Mutterpass zeigte, dass die Schwangerschaft schon Ende April begonnen hatte – also vor der Kündigung.
Die Arbeitgeberin argumentierte, dass die Klagefrist versäumt worden sei. Gemäß dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hätte die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden müssen. Eine nachträgliche Zulassung gemäß dem KSchG sei ausgeschlossen, da die Arbeitnehmerin durch den positiven Schwangerschaftstest noch innerhalb der laufenden Frist von ihrer Schwangerschaft erfahren habe.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das BAG entschied, dass die Kündigung gegen das im Mutterschutzgesetz (MuSchG) verankerte Kündigungsverbot verstoße und daher unwirksam sei. Zwar habe die Klägerin die Drei-Wochen-Frist des KSchG nicht eingehalten. Nach Auffassung des BAG war die verspätete Klage jedoch gemäß dem KSchG nachträglich zuzulassen. Denn die Klägerin habe erst durch die frauenärztliche Untersuchung sicher erfahren, dass sie zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs schwanger war. Die verzögerte Terminvergabe sei ihr nicht anzulasten. Der zuvor eigenständig durchgeführte Schwangerschaftstest mit positivem Ergebnis sei nach Ansicht des Gerichts nicht entscheidend
Kündigungsschutz während der Schwangerschaft
Gemäß dem MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Satz 2 besagt, dass das Überschreiten dieser Frist unschädlich ist, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.
Die rechtlichen Grundlagen
Grundsätzlich muss eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden (siehe oben). War die Arbeitnehmerin indes nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, ist die Klage auf Antrag nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist Kenntnis erlangt hat. Dies bedeutet: Wenn eine Frau erst nach der drei-Wochen-Frist von ihrer Schwangerschaft erfährt, kann sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung beantragen, die verspätete Klage nachträglich zuzulassen. Dies gilt jedoch nur, wenn sie kein Verschulden daran trifft, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erhalten hat.
Dabei hat das BAG klargestellt:
Für die Kenntniserlangung der Schwangerschaft genügt es nicht, einen Schwangerschaftstest gemacht zu haben, der positiv ausfällt. Vielmehr gilt erst die ärztliche Bestätigung als positive Kenntnis der Schwangerschaft.
Fazit
Das neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellt einen wichtigen Beitrag zum verbesserten Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen dar. Es stellt klar, dass eine Kündigung auch dann noch überprüft werden kann, wenn die Arbeitnehmerin erst nachträglich von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Voraussetzung ist, dass sie schnellstmöglich einen Arzt aufsucht und die ärztliche Bestätigung beim Arbeitgeber einreicht.
Arbeitgeber tragen folglich das Risiko, dass Kündigungen gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen auch nach Ablauf der Klagefrist noch angegriffen werden können. Daher ist eine sorgfältige Prüfung vor Ausspruch der Kündigung und gegebenenfalls die Einholung arbeitsrechtlicher Beratung dringend zu empfehlen – insbesondere, wenn Anhaltspunkte für eine Schwangerschaft vorliegen.
Weiteres Wissenswertes
Der Schutz der werdenden Mutter ist durch das MuSchG geregelt. Hierdurch werden insbesondere die Gestaltung des Arbeitsplatzes, etwaige Beschäftigungsverbote, Mitteilungspflichten, Kündigungsverbote sowie der Mutterschutzlohn geregelt. Der Schutz berufstätiger Mütter umfasst drei zentrale Bereiche: den Schutz von Mutter und Kind vor gesundheitlichen Gefahren, die Absicherung gegen einkommensbedingte Nachteile infolge der Schwangerschaft und Geburt sowie den Schutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der beruflichen Perspektiven.
Der Mutterschutz gilt für alle schwangeren und stillenden Arbeitnehmerinnen – unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses. Er sieht vor, dass eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden darf, es sei denn sie erklärt sich dazu bereit (Schutzfrist vor der Entbindung). In den acht Wochen nach der Entbindung gilt ein absolutes Beschäftigungsverbot. Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Zudem sieht das MuSchG auch das Verbot von Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn-.oder Feiertagsarbeit vor. Darüber hinaus muss die Gestaltung der Arbeitsbedingungen rücksichtsvoll erfolgen und Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Während der Schutzfristen erhält die Arbeitnehmerin Mutterschaftsgeld in Höhe ihres Nettoarbeitsentgelts basierend auf dem Nettolohn der letzten 3 Monate vor dem Mutterschutz. Hierbei werden Einmalzahlungen ebenso wenig mit eingerechnet, wie Kürzungen durch Kurzarbeit, Arbeitsausfall, etc. Hierbei trägt die gesetzliche Krankenkasse maximal 13 EUR pro Kalendertag als Mutterschaftsgeld. Der restliche Betrag wird vom Arbeitgeber als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld bezahlt. Dieser wird in der Folge über das Umlage 2 Verfahren durch die Krankenkasse wieder an den Arbeitgeber erstattet. Im Falle einer privat krankenversicherten Arbeitnehmerin bleibt der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld unverändert in der Berechnung. Die Zahlung der 13 EUR pro Kalendertag von der Krankenkasse entfällt jedoch. Eine mögliche Zahlung über die private Krankenkasse muss im individuellen Versicherungsvertrag vereinbart sein.
- Kündigungsschutzklage: Die Kündigungsschutzklage ist grundsätzlich innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist möglich, wenn die rechtzeitige Erhebung nicht möglich war und der Antrag innerhalb von zwei Wochen gestellt wurde (siehe Entscheidung oben).
- Schutzfrist vor Entbindung: Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin nicht beschäftigen, soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sofern der tatsächliche Entbindungstermin nach dem berechneten liegt, verlängert sich die Schutzfrist for der Entbindung entsprechend.
- Schutzfrist nach Entbindung: Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist nach der Entbindung). Die Frist kann sich u. U. verlängern (beispielsweise durch Mehrlingsgeburt, in diesem Falls beträgt die Schutzfrist nach Entbindung zwölf Wochen).