26. September 2022
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber müssen Arbeitszeit erfassen
Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.09.2022 ein Urteil zur Zeiterfassung gefällt, das Auswirkungen auf alle Arbeitgeber in Deutschland haben dürfte. Wir geben Ihnen einen Überblick über das Urteil und seine Folgen.
Vertrauensarbeitszeitmodelle sind in deutschen Unternehmen weit verbreitet und leben gerade davon, dass die Arbeitszeit nicht erfasst wird. Arbeitgeber müssen jedoch die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen. Was europarechtlich vom EuGH bereits seit 2019 geklärt ist, hat jetzt auch das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Stechuhr-Urteil des EuGH
Bereits im Sommer 2019 hatte der Europäische Gerichtshof mit seinem sog. Stechuhrurteil festgestellt, dass Unternehmen nach EU-Recht die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer komplett zu erfassen hätten – egal, ob diese im Büro, im Außendienst oder von zu Hause arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass sich ein Arbeitgeber an die Vorschriften hält, die die Arbeitnehmer schützen. Damit hat der EuGH sehr konkret Fragen zur Arbeitszeiterfassung aufgeworfen, die die deutsche Politik bisher nur unzureichend beantwortet hat.
Beschluss des Bundesarbeitsgericht vom 13.09.2022
Dem kam nun das Bundesarbeitsgericht mit seinem Beschluss zur Arbeitszeiterfassung vom 13.09.2022 zuvor. Seiner Auffassung nach ist der Arbeitgeber auch in Deutschland bereits verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Der Gesetzgeber bleibt damit dringend aufgerufen, diese Fragen durch eine klare gesetzliche Regelung zu beantworten.
Auswirkungen für die Zukunft und Praxistipps
Bis zur Klärung durch den Gesetzgeber kann Unternehmen nur zur Vorsicht geraten werden, Arbeitszeitmodelle ohne Zeiterfassung voranzutreiben. Erkennt man – wie nun das Bundesarbeitsgericht – die Pflicht zur umfassenden Zeiterfassung an, so sind gelebte und alltägliche Modelle ohne Erfassung rechtswidrig.
Da das Arbeitsschutzgesetz weder die Größe von Unternehmen, noch das Bestehen von Betriebsräten oder andere Faktoren gesondert berücksichtigt, erwirkt es den Anschein, dass grundsätzlich alle Unternehmen verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden künftig zu erfassen. Ob und welche Freiheiten das Bundesarbeitsgericht Unternehmen zubilligt, kann der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung des Gerichts nicht entnommen werden. Die Urteilsgründe des Bundesarbeitsgerichts, welche solche Informationen beinhalten könnten, wurden aktuell noch nicht veröffentlicht. Auch der EuGH hat 2019 keine Vorgaben zur Ausgestaltung eines Zeiterfassungssystems formuliert.
Festzuhalten bleibt also, dass die Arbeitszeiten erfasst werden müssen. Eine Form der Zeiterfassung durch das aktuelle Arbeitszeitgesetz ist bisher nicht gegeben. Demnach kann sie handschriftlich oder auch elektronisch festgehalten werden. Die Erfassung kann auch auf Arbeitnehmer übertragen werden, der Arbeitgeber muss dann lediglich die Zeiten auf Plausibilität prüfen.
Wir empfehlen Ihnen schon jetzt zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil etwa auf die in zahlreichen Unternehmen praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle hat. Unsere Rechtsanwälte helfen Ihnen gerne bei der Beratung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems oder bei der Entwicklung einer geeigneten Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung.